Wirksamkeit der Kirche: Ein Gefühl, ein Vergleich, eine Bitte

Der Aufhänger

Ein kirchenbekannter Journalist ruft die Kirchenmenschen auf. Sie sollten mehr auf „Wirksamkeit“ achten. Kontakte pro Monat auflisten und die Kosten berechnen. Daraus ergäbe sich dann die Wirksamkeit.

Ich schätze jenen Journalisten. Provokation und Kritik tut der Kirche gut. Na ja, aber ich dachte mir: Dazu hab ich eigentlich auch was zu sagen. Und locker aus der Hüfte geschossen, tippte ich bei Twitter, ich würde doch gerne mal was dazu sagen: Zu dem ewigen „es kommen zu wenig Menschen“ und dem, worum es mir als Kirchenmensch geht.

Eure Antwort – mein Standpunkt

Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass ihr mich gleich ermutigt, wirklich etwas zu dem Thema zu schreiben.

Nagut, dachte ich. Versuchen wir es. Ich habe überlegt, wo ich anfange. Bei mir, dachte ich dann. Ich bin seit September letzten Jahres Vikarin. Das heißt, ich bin noch in der Ausbildung zur Pfarrerin. Ein junges Küken sozusagen. 

Kirchenmensch bin ich irgendwie schon mein ganzes Leben. Ich bin mit Kirche, mit Kindergottesdienst und Jugendfreizeiten aufgewachsen. 

Für die Kirche zu arbeiten, ist noch einmal eine andere Perspektive. Es macht mir unglaublich viel Spaß. Ich liebe die Begegnungen – und ja, ich liebe es zu predigen.

Eins stört mich: Wenn in Gemeinden nach jeder Veranstaltung gezählt wird, ob genug Leute da waren. Der Unterton, den ich höre, ist: Es ist immer zu wenig. „Für wen machen wir das eigentlich?“, wird da gefragt.

Ich überblicke die Debatte um Kirchenaustritte, um Beteiligung, um die Zukunft der Kirche nicht. Ich kenne nur einzelne Meinungen, Studien – aber vielleicht darf ich von diesem meinem Standpunkt etwas beitragen:

Ein Gefühl. Ein Vergleich. Und eine Bitte.

Ein Gefühl:

Mein Gefühl ist, dass es uns, dass es mich nicht weiterbringt, wenn immer auf die gleiche Weise gefragt wird. Wenn gefragt wird, ob es genug war – dann bleibt am Ende nur „Es war nicht genug“ als Fazit. Auf dieses Gefühl, das weiß ich, kann ich kein Berufsleben als Pfarrerin aufbauen. Mit dem Gefühl, dass es niemals reicht. Es würde zu einer kompletten Überforderung führen. Ich müsste ja immer mehr tun, mehr Veranstaltungen, mehr Gottesdienste, mehr Kontakte.

In meiner Predigt vom Senfkorn habe ich versucht, dieses Gefühl vor Gott zu bringen. Gott zu fragen, was er davon hält. Ich glaube, dass es Gott auf das Kleine ankommt: Aus dem Kleinen wächst das Große. Aus einer Begegnungen, einem Segenswort, aus einer (schlechten) Predigt kann Glaube entstehen. Ich bin absolut zuversichtlich, dass Gott wirkt, wo er möchte. 

Es gibt die schönen Gleichnisse vom Verlorenen. Der gute Hirte geht dem verlorenen Schaf nach (Lukas 15). Er sucht das Einzelne und verlässt die Herde. Das ist höchst ineffektiv. Wenn ich Verkäuferin bin und 100 Neukunden habe – was kümmert mich der eine, den ich nicht überzeugen kann? Gott kümmert es! Gott kümmert sich um das einzelne verlorene Schaf. Und wenn er mich beauftragt, dass ich mich um das eine Schaf kümmere, dann ist es das wert. Das hat nichts mit Arbeitswirksamkeit oder Effektivität zu tun – das hat etwas mit dem christlichen Menschenbild zu tun. Jeder und jede ist von Gott geliebt und ist es wert, ihm oder ihr hinter her zu gehen. 

„Für wen machen wir das?“ – Für jeden einzelnen. Zum Beispiel für die Person, die hier die Frage gestellt hat. Der Gottesdienst ist für Dich! Du bist gemeint. Wenn wir immer nur auf „die anderen“ warten, schätzen wir nicht wert, was wir haben, schätzen wir unsere Mitarbeitenden, unsere Treuen nicht wert. Jeder Mensch, der sich sonntags zum Gottesdienst aufmacht, der beim Gemeindefest hilft oder zu Hause in der Bibel liest oder betet, ist wertzuschätzen, mit seinen Gaben, seinem Glauben, seiner Hoffnung. 

Ich freue mich immer über jeden, mit dem ich über Gott reden kann. Das genieße ich; selbst wenn verschiedene Glaubensauffassungen aufeinandertreffen.

Es kommen Leute zu Kirchen. Menschen glauben an Gott. Es gibt diese tolle Organisation Kirche. Das macht mir Freude. 

Ein Vergleich

Zurück zu der Verkäuferin: Mein Freund ist tatsächlich Verkäufer. Und wir reden öfter mal und vergleichen unsere Berufe. Da gibt es Schnittmengen – und wieder Unterschiede. Wir versuchen uns gegenseitig zu erklären, wie es bei dem anderen funktioniert. Das ist total spannend für mich – wenn auch immer etwas fremdartig.

In seiner Branche heißt es immer: Du musst ein „Nein“ vertragen können und nicht aufgeben. Du musst an das Produkt glauben, das du verkaufen willst.

Also, mit Glaube kennen wir uns doch aus. Glauben wir, was wir sagen? Verstecken wir unseren Glauben? Halten wir damit hinter dem Berg wie mit einem fauligen Fisch? Oder leben wir ihn offen, sodass es Spaß macht, sich anstecken zu lassen?

Daher meine Bitte:

Lasst uns Salz und Licht in der Welt sein (Matthäus 5). Die Kirche, die auf dem Berg steht und leuchtet. Eine Insel des Lichts, wo Leute gerne hinkommen. Und wenn ich mich frage, ob ich hell genug leuchte, ist es Zeit nach Gottes Licht zu fragen. Ich muss nicht leuchten, Gott leuchtet durch mich hindurch – wenn er das möchte.

Sorry, wenn wir jedes Mal nur davon reden, wie blöd alles ist und wie wenig Leute kommen – das ist ein Schlag ins Gesicht. Für die, die da sind. Und auch für mich, die ich gerade erst in den Beruf einsteige. Klar, muss ich realistisch sein. Aber muss denn nach jeder Veranstaltung, nach jedem Gottesdienst bangend gefragt werden, ob es genug war? Können wir uns nicht freuen über jeden, der da war – über jeden, den Gott gefunden hat? 

Bitte, lasst uns an das glauben, was wir tun. Glauben, dass Gott selbst etwas mit seiner Kirche vorhat und mit jedem einzelnen. 

Versteht mich nicht falsch, ich will nicht sagen, die Kirche sei vom Glauben abgefallen – oder gar gottlos. Das ist sie nicht. Es geschieht vieles Gutes, Schönes, Glaubwürdiges in der Kirche.

Ich würde euch einfach nur gerne begeistern für die Kirche und für das Reich Gottes, das Gott mit uns bauen will. Und, eins nehme ich mir ganz sicher für meinen Weg vor: Hinzusehen, wo bereits Reich Gottes gebaut wird. Hinzusehen, wo die Herzen von Menschen bereits leuchten. Hinzusehen und dankbar zu sein. 

Eure Theotabea

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