Mein Start als junge Pfarrerin: Die lustigsten, schönsten und erinnerungswürdigsten Momente aus den ersten drei Jahren

Der Start als junge Pfarrerin ist vor allem: Interressant, bunt, aufregend, intensiv – und dann sind da die Momente, da bleibt nur eins: Schmunzeln und den eigenen Teil denken.

„Aber mach das nicht in der Schule, die Lehrer und Lehrerinnen nervt das total.“

Es war ein schöner Samstag, wir trafen uns mit den Jugendlichen zum Thema 10 Gebote. Am Anfang saßen wir im Kreis, 3 Gruppen, 60 Jugendliche. Neben mir versuchten sie Vogelrufe zu imitieren. Ich fragte, ob sie mir das auch zeigen würden. Ja klar – ich müsste nur meine Finger so falten und durchpusten, das klingt dann wie bei einer Eule. Aber in der Schule sollte ich das nicht machen, die Lehrer und Lehrinnen wären davon sehr genervt.

Ich schaue den Jugendlichen an. „Was denkst du eigentlich, wer ich bin?“
„Konfirman – Teamerin…. – Organistin?“

Ich denke mir: Ich bin zwar doppelt so alt wie ihr und Auszubildende in der Gemeinde als Pfarrerin – aber sie halten mich für eine der ihren. Alles richtig gemacht.

„Sie heiraten heute – im Talar?“

Die Hochzeit war öffentlich angekündigt. Eine wirkliche nette Dame aus der Gemeinde schloss daraus, dass ich meinen Freund heirate. Der war auch zugegen. Nachdem er zuerst für den Organisten gehalten wurde, der fälschlicherweise zu mir nach Hause fuhr statt zu der Kirche, wo die Trauung stattfinden sollte, war immerhin klar: Er ist mein Freund.

Da kam eine sehr nette und sehr treue Dame aus der Gemeinde und sprach mich an. Dass heute ja ein besonderer Tag wäre. Ich sagte: Ja, dafür habe ich mich extra schick gemacht und ein besonderes Beffchen angelegt, also eine bestickte Version des weißen Lappen, den die Pfarrer und Pfarrerinnen halt so um den Hals tragen.
Die Frau sah mich ungläubig an. Nach dem Gottesdienst sprach sie mich an: „Ach, das war gar nicht ihre Hochzeit, sie haben nur den Gottesdienst geleitet.“

„Du bist traurig heute, aber wenn es dir danach besser geht, ist alles gut“

Ich mag Grundschule. Ich mag die Kinder in der Grundschule. Ein Grund dafür steckt in dieser Geschichte.
Es war der Tag meiner Scheidung. Ich kam später in die Schule und die Kinder fragten mich, was los sei. Ich wollte ungerne sagen, was los war. Aber Kinder sind oft viel besser darin, Emotionen zu lesen als Erwachsene. Sie merkten, wie traurig ich war und sprachen mich darauf an.

Ich versuchte zu erklären, dass heute ein schwieriger Tag war, aber dass es gut war so. Ein Junge schaute mich mit ganz viel Verständnis an: „Du bist traurig heute, aber wenn es es dir danach besser geht, ist alles gut.“ Und er lächelte und ging weiter spielen. Ich lächelte auch. So süß wurde ich selten aufgeheitert.

„Sie sind wirklich Pfarrerin, wirklich?!!!“

Mein Freund und ich sind umgezogen. Aus Frankfurt hoch in den Taunus. Das Umzugsunternehmen war schon recht früh da, um die paar Fertigbau-Möbel und einige Kisten einzuladen. Ich war schon oben beim Pfarrhaus, wo es hingehen sollte, mein Freund schaute den Jungs (wirklich nur männliche Wesen) über die Schulter. Am frühen Nachmittag waren sie oben und luden aus. Sie wussten Bescheid, dass es ein Umzug im Rahmen der Kirche war und ein Pfarrhaus bezogen werden sollte. Natürlich hielten sie meinen Freund automatisch für „den Pfarrer“.

Als herauskam, dass ich die neue Pfarrerin wäre, wurde ich ungläubig angestarrt.
„Sie sind wirklich Pfarrerin, also wirklich – Pfarrerin?!!!“
Es brauchte mehrere Anläufe, ihn davon zu überzeugen.

Wie man ohne Worte alles sagt, was man über Strukturen in der Kirche schon immer gedacht hat

Wir waren auf Ferienfreizeit mit Jugendlichen. Ich hatte ein Handy-Spiel konzipiert, das wie eine digitale Rallye funktioniert. Die Jugendlichen konnten überall im Haus QR Codes abfotografieren und Aufgaben dazu lösen. Dafür brauchten sie Internet. Also orderte ich WLAN Codes beim Hausvater.
Nach dem Mittagessen kam er in den Speisesaal und meinte hier seien die WLAN Codes. Mit dem ging er direkt auf meinen Freund zu und wollte sie ihm geben. Der guckt ihn an, guckt mich an und meint dann: „Die Chefin ist sie.“
Der Hausvater guckt meinen Freund an, guckt mich an, guckt meinen Freund an. Ohne Worte habe ich selten jemand so laut reden hören: Darf sie wirklich die WLAN Codes haben?
– Ja, darf sie.

„Das ist unsere Pfarrerin“ oder: wenn du im Dorf langsam als Pfarrerin erkannt wirst

Nach dem Umzug fing ich also an mich im schönen Hochtaunus einzuleben. Gar nicht so leicht unter Corona-Bedingungen. Wie gut, dass ich zwei Asse im Ärmel hatte: Den Gemeindeboten und Online-Gottesdienste. Beides waren super Möglichkeiten, damit Menschen überhaupt mal mein Gesicht sehen konnten. Es ist wirklich eine schöne Erfahrung für mich, wenn diese Menschen mich dann auf der Straße ansprechen. Die Bäckerin im Backladen von nebenan sagte, als ich ein Brot kaufte: „Das ist unsere Pfarrerin!“ Ich bilde mir ein, einen gewissen Stolz über „unsere Pfarrerin“ herausgehört zu haben.

Schmunzeln ließ mich auch ein kleiner Junge auf dem Fahrrad. Ich überquerte die Straße und er zeigte auf mich. „Das ist die Pfarrerin!“
Ja, bin ich. Schön, dich kennenzulernen!

„Ich weiß jetzt, was ich unter Auferstehung verstehen kann“

Durch meinen Start mitten im Lockdown war klar: Vieles muss digital laufen oder es läuft gar nichts. Also starteten wir Online-Gottesdienste. Die Jugendlichen konnten für Gottesdienste keine Unterschriften sammeln, weil sie ja nicht kommen konnten. Stattdessen habe ich sie gebeten, mir digital kleine Zusammenfassungen der Gottesdienste zu schicken.

Das war sehr hilfreich für mich, weil ich vielfach gemerkt habe, wo ich viel zu kompliziert gepredigt habe. Mir wurde brutal vor Augen geführt, was wirklich bei den jungen Menschen ankam. Wenn ich kompliziert predigte, war das auch mal: fast gar nichts.

Viel kam an, wenn wir dialogische und interaktive Elemente einbauten. Einige Jugendliche nutzten das und fragten nach. Das war für mich als Predigerin ein gutes Gefühl. Am schönsten war es, als ein Jugendlicher mir schrieb, er könnte jetzt was mit Auferstehung anfangen.

Mir war nicht klar, dass Gottesdienst so etwas wirklich leisten kann und ich habe von Herzen dem Heiligen Geist für diese „kleine Wunder“ gedankt.

Zum Schluss

Ich hoffe, ihr hattet etwas Spaß, über meinen Berufstart zu lesen. Über Missverständnisse, Ungewohntes, Unsicherheiten – das alles gehört wohl dazu. Und ich meine, hey, wir sind alle Menschen. Einfach mal darüber lachen, ist wichtig.

Klar ist auch: Ein Start in den Beruf ist nie leicht. Schon gar nicht unter Corona. Ich fühle mit allen mit, denen es wie mir geht. Es ist einfach oft knallhart. Schmunzeln und Humor helfen und, was auch total hilft, ist die schönen Momente mehr zu gewichten als die nicht so schönen.

In dem Sinne wünsche ich allen da draußen, die vor Neuanfängen und anderen Katastrophen stehen, Gottes Segen und: Ich könnte mir vorstellen, dass Gott auch ganz oft mit uns mitlacht.

Eure Theotabea

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